Die Hexenverfolgungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – eine Einführung

Die Hexenverfolgungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – eine Einführung

Die Hexenverfolgungen sind zwar ein popkulturell viel thematisiertes Phänomen, doch wissen wir eigentlich wenig über die Details. Es ranken sich viele falsche Vorstellungen um das sehr komplexe Thema.

Entgegen gängiger Annahmen ist die systematische Verfolgung und Hinrichtung von als Hexen verurteilter Personen keine Erscheinung des Mittelalters, sondern der frühen Neuzeit. Und obwohl die Hexenprozesse von Salem in den USA die vielleicht heute bekanntesten sind, beschränkt sich die historische Hexenverfolgung in ihrer stärksten Ausprägung vor allem auf Europa. In verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Zeitpunkten waren die Ausprägungen der Verfolgungen sehr unterschiedlich in Bezug auf Opferzahlen, Grausamkeit und verdächtigte Bevölkerungsgruppen. Es waren nicht nur Frauen* unter den Opfern. Auch Kinder und Männer* wurden verdächtigt, verhört und auch hingerichtet. Genaue Opferzahlen lassen sich nicht ermitteln ─ es wird geschätzt, dass zwischen Einhunderttausend bis mehrere Millionen Menschen ermordet wurden, davon ca. 30000 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (HRRDN). Unter den Opfern waren ca. 80% Frauen*, weswegen die Motive der Hexenverfolgungen vor allem als frauen*feindlich eingestuft werden können.

In Deutschland vollzog sich die systematische Hexenverfolgung in Wellen. Der Beginn der Prozesse wird allgemein auf die 1430er-Jahre festgelegt. Im Jahr 1468 erklärte Papst Paul III. Hexerei offiziell zum Verbrechen, wodurch die erste Verfolgungswelle legitimiert und angetrieben wurde. Weitere Dokumente folgten: 1484 erließ Papst Innozenz VIII. die Hexenbulle, zwei Jahre später erschien der sogenannte Hexenhammer, verfasst vom Inquisitor Heinrich Kramer. Der Hexenhammer ist eine Abhandlung über die Verfolgung, Verurteilung und Hinrichtung von Hexen, die vor allem Frauen* unter Generalverdacht stellte. Diese Abhandlung hatte jedoch keine Gesetzeskraft. Das Gesetz folgte 1532 unter Kaiser Karl V. mit der Constitutio Criminalis Carolina, Artikel 109. Hier wurde als Strafe der Feuertod benannt. (Bis heute verbinden wir sogenannte Hexenfeuer mit der Hexenverfolgung, was jedoch häufig Veranstaltung zur Walpurgisnacht oder auf Mittelalterspektakeln ist und als geselliges Vorwand für ein geselliges Ereignis missbraucht wird.)

Die erste Verfolgungswelle dauerte 100 Jahre bis ca. 1540 an. Nach der Reformation wurde die Hexenverfolgung durch die evangelische Kirche keineswegs beendet, im Gegenteil: Zwischen 1563 und 1680 fanden wieder vermehrt Verfolgungen und Hexenprozesse statt. Martin Luther predigte gegen „Zauberinnen“. Er betonte, dass vor allem Frauen sich der Hexerei schuldig machen und trieb den Hexenwahn an.

Erst mit der Humanisierung des Strafrechts im Zeitalter der Aufklärung kam die Hexenverfolgung in Europa zum Ende. Die letzte Hinrichtung einer „Hexe“ im  HRRDN fand 1775 statt.

Verwendete und weiterführende Literatur

Gaskill, Malcom: Hexen und Hexenverfolgung. Eine kurze Kulturgeschichte, Stuttgart 2013.

Linke, Heidrun: Hintergründe und Motive der Hexenverfolgung, Vortrag vom 15.06.2002 im Rahmen der FrauenNetzwerkUniversität Dresden.

Sallmann, Jean-Michel: Hexen; in: Geschichte der Frauen. Frühe Neuzeit (= Band 3), Berlin 2012, S. 461-474.

Wisselinck, Erika: Hexen. Warum wir so wenig von ihrer Geschichte erfahren und was davon auch noch falsch ist. Analyse einer Verdrängung. 3. Aufl. München 1989.

Wopat, Kristina: Die Hexenverfolgung im Zeitalter des Humanismus, Reader des 7. Dresdner Frauen-Sommer-Universität 2003, o. S.

https://www.hexenprozesse-leipzig.de/?p=60 , aufgerufen am 10.06.2021